Wenn Widerstand spricht - und niemand mehr zuhört
Warum Projekte nicht am Widerstand scheitern – sondern an der Art, wie man ihm begegnet.
„Die stellen sich nur quer.“
„Der ist immer dagegen.“
„Die will einfach nicht mitziehen.“
Sätze wie diese höre ich oft, wenn ein Projekt stockt.
Widerstand wird schnell als Störung empfunden – als etwas, das wegarbeiten werden muss.
Aber was, wenn Widerstand kein Nein ist, sondern ein ungehörtes Ja?
Ein Ja zur Qualität, zur Sorgfalt, zum Sinn – das nie die Chance hatte, formuliert zu werden?
Widerstand ist keine Schwäche. Er ist ein Symptom von Tiefe.
Menschen leisten nicht einfach so Widerstand.
Sie tun es, wenn etwas für sie nicht stimmig ist.
Wenn sie das Gefühl haben, dass über sie hinweg entschieden wird.
Oder wenn sie längst innerlich ausgestiegen sind – aber noch nicht gegangen.
Widerstand ist oft der Versuch, Einfluss zu nehmen – weil vorher niemand gefragt hat.
Er zeigt sich auf vielen Ebenen:
Aktiv: Kritik, Nachfragen, Skepsis.
Passiv: Schweigen, Verzögerung, Rückzug.
Tarnend: Zustimmung in Meetings – und Ablehnung im Alltag.
Die wahre Gefahr? Ist nicht der Widerstand. Sondern der Umgang damit.
Viele Projekte versuchen, Widerstand zu „managen“ – mit Change-Plänen, Stakeholder-Analysen und Kommunikationskampagnen.
Aber Menschen sind keine Stakeholder.
Sie sind Mitträger, Mitdenker – oder innere Kündiger.
Widerstand eskaliert meist erst, wenn er nicht gehört wurde:
Wenn rationale Einwände abgewürgt werden.
Wenn emotionale Bedenken mit Fakten erschlagen werden.
Wenn Haltung mit Zustimmung verwechselt wird.
Führung zeigt sich nicht, wenn alles läuft – sondern wenn es knallt.
Widerstand ist keine Störung.
Er ist eine Einladung, genauer hinzusehen:
auf das, was nicht stimmt,
aber auch auf das, was noch möglich ist.
„Die entscheidende Frage ist nicht:
Wie kriegen wir die Zustimmung?
Sondern:
Was fehlt, damit Beteiligung überhaupt entstehen kann?“
Gute Führung erkennt Widerstand nicht als Problem, sondern als verdeckten Hinweis:
auf fehlende Orientierung,
ungeklärte Rollen,
nicht geäusserte Werte.
Was dann hilft
Verlangsamen, bevor man beschleunigt. Nicht sofort reagieren – sondern zuhören, verstehen, spiegeln.
Zwischen Inhalt und Energie unterscheiden. Geht es wirklich um das Sachargument – oder um eine Beziehungsebene?
Nicht um Zustimmung kämpfen – sondern um Verbindung. Oft reicht es, wenn Menschen merken: „Ich werde wirklich gesehen.“
Was ich tue, wenn es kracht
Ich werde oft geholt, wenn ein Projekt bereits im Widerstand steckt.
Nicht, um „die Leute zu überzeugen“.
Sondern um den Raum zu halten, in dem gesagt werden darf, was gesagt werden muss – ohne Gesichtsverlust.
Was mich befähigt?
Ich kenne beide Seiten:
Ich war die interne Projektleiterin, die liefern musste – obwohl der Boden unter den Füssen bröckelte.
Und ich war die, die Kommunikation aufrechterhielt, als längst niemand mehr wirklich im Dialog war.
Ich weiss, wie es sich anfühlt, zwischen Strategie und Stimmung zu stehen.
Zwischen Druck von oben – und Widerstand von unten.
Deshalb arbeite ich nicht mit Eskalationspfaden.
Sondern mit Klarheit, Präsenz und Sprache, die Resonanz erzeugt – nicht Verteidigung.
Die Frage ist nie:
Wie kriegen wir den Widerstand weg?
Sondern:
Was hätte längst auf den Tisch gehört – und wurde nicht gesagt?
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